Barrierefreiheit im E-Commerce: Was du darüber wissen musst.

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Tastatur mit Accessibility symbolisiert Barrierefreiheit im E-Commerce

Ein Thema, das brandaktuell, aber vor allem unglaublich wichtig ist: Barrierefreiheit im Online-Handel. Mit der Umsetzung des “European Accessibitlity Act” im neuen “Barrierefreiheitsgesetz (BaFG)" müssen Webshops spätestens ab dem 29. Juni 2025 barrierefrei zugänglich sein.

Doch ab wann gilt ein Webshop als „barrierefrei” im Sinne des BaFG? Welche Vorgaben und Standards müssen erfüllt werden und für wen gelten diese? Die Antworten darauf und alle notwendigen Infos, findest du in diesem Blogartikel.

Barrierefreiheitsgesetz -
worum geht's hier eigentlich?

Jedes EU-Mitgliedsland muss die EU-Directive 2019/882, den "European Accessibility Act", zur Harmonisierung aller Vorschriften und Richtlinien betreffend Barrierefreiheit umsetzen. In Österreich geschieht dies im Rahmen des Barrierefreiheitsgesetzes (BaFG).

Das Wichtigste in aller Kürze:

  • Was: Digitale Produkte und Dienstleistungen (von Online-Shops bis zum Bankomat)
  • Wer: Österreichische Unternehmen ab 10 Mitarbeitende oder 2 Mio. € Jahresumsatz bzw. Jahresbilanzsumme
  • Strafe: Bis 80.000 EUR
  • Beweislast: Liegt beim Unternehmen, Frist für Korrekturen oder vom Markt nehmen
  • Monitoring- und Beschwerdestelle: Sozialministeriumservice

 

Warum ist Barrierefreiheit für
den eigenen Onlineshop wichtig? 

Wir müssen und wollen die Welt für alle gleichermaßen zugänglich machen. Das gilt für Wohnungen und Spielplätze, genauso wie für Onlineshops. Daher gilt es, alle möglichen Einschränkungen, die Nutzer:innen haben könnten, einzukalkulieren und bestmöglich auszumerzen. 

Neben den augenscheinlichen Gründen der Inklusivität gibt es aber auch wirtschaftliche Faktoren, die für einen barrierefreien bzw. barrierearmen Onlineshop sprechen und für viele Unternehmer:innen einen wichtigen Aspekt darstellen:

  • Die Gewinnung neuer Kaufinteressent:innen und Zielgruppen und dadurch Steigerung des Umsatzes und Marktanteils. 

  • Ein besseres Nutzungserlebnis und eine bessere Bedienbarkeit steigert die Nutzer:innenzufriedenheit und verbessert nachhaltig die Außenwahrnehmung des Unternehmens (Stichwort: Corporate Image). 

  • Je barrierearmer der Shop, desto höher das Ranking bei Suchmaschinen. Google hat zwar keine spezifischen Rankingfaktoren für Barrierefreitheit definiert, legt aber Wert auf die User Experience. Und wer seine Website bzw. seinen Onlineshop barrierefrei und leicht zugänglich gestaltet, hat zumeist auch eine bessere User Experience, die wiederum zu mehr Engagement, niedrigeren Absprungsraten und einer verbesserten SEO Performance führt.

  • Die Vermeidung von Strafzahlungen und Schädigung des Unternehmensimages durch die gesetzliche Konformität. 

 

Allgemeine Anforderungen
an die Barrierefreiheit

Im Rahmen des Barrierefreiheitsgesetztes (BaFG) wurden allgemeine Anforderungen an die Barrierefreitheit festgelegt. Diese gelten für alle Dienstleistungen gemäß § 2 Abs. 2 des Barrierefreiheitsgesetztes (BaFG) und umfassen folgende Punkte:

  1. Die zur Erbringung der Dienstleistung verwendeten Produkte müssen barrierefrei sein. 
  2. Die bereitgestellten Informationen über die Funktionsweise der Dienstleistung (sowie der dafür notwendigen Produkte) müssen barrierefrei gestaltet sein, was folgendes bedeutet: 
    1. Die Informationen werden über mehr als einen sensorischen Kanal bereitgestellt.
    2. Sie werden in verständlicher Weise dargestellt.
    3. Sie werden den Nutzer:innen auf eine Weise dargestellt, die sie wahrnehmen können.
    4. Der Informationsinhalt wird in Textformaten zur Verfügung gestellt, die sich zum Generieren alternativer assistiver Formate eignen, die von Nutzer:innen in unterschiedlicher Form dargestellt werden und über mehr als einen sensorischen Kanal wahrgenommen werden können.
    5. Sie werden in einer Schriftart mit angemessener Schriftgröße und geeigneter Schriftform unter Berücksichtigung der vorhersehbaren Nutzungsbedingungen und mit ausreichendem Kontrast sowie anpassbarem Abstand zwischen den Buchstaben, Zeilen und Absätzen dargestellt.
    6. Es wird eine alternative Darstellung des Inhalts angeboten, wenn Elemente mit Nicht-TextInhalten enthalten sind.
    7. Die für die Erbringung der Dienstleistung erforderlichen elektronischen Informationen werden auf kohärente und angemessene Weise bereitgestellt, indem sie wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden;
  3. Websites einschließlich der zugehörigen Online-Anwendungen (inkl. mobiler Apps) und auf Mobilgeräten angebotenen Dienstleistungen müssen auf zusammenhängende und angemessene Weise wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust gestaltet werden.
  4. Sofern Unterstützungsdienste (Help-Desk, Call-Center, technische Unterstützung, Relaisdienste und Einweisungsdienste) verfügbar sind, müssen Informationen über die Barrierefreiheit und die Kompatibilität des Produkts mit assistiven Technologien mit barrierefreien Kommunikationsmitteln bereitgestellt werden.

 

 

Anforderungen an die Barrierefreiheit im E-Commerce

Bei Dienstleistungen im E‑Commerce bedeutet dies:

  • Bereitstellung der Informationen zur Barrierefreiheit der zum Verkauf stehenden Produkte und Dienstleistungen, wenn diese Informationen vom verantwortlichen Wirtschaftsakteur zur Verfügung gestellt werden.

  • Gewährleistung der Barrierefreiheit der Identifizierungs-, Sicherheits- und Zahlungsfunktionen, wenn diese nicht in Form eines Produkts, sondern im Rahmen einer Dienstleistung bereitgestellt werden, durch deren wahrnehmbare, bedienbare, verständliche und robuste Gestaltung.

  • Bereitstellung von Identifizierungsmethoden, elektronischen Signaturen und Zahlungsdiensten, die wahrnehmbar, bedienbar, verständlich und robust sind.

Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)

Das World Wide Web Consortium (W3C) entwickelt Standards und Richtlinien, um jedem:jeder beim Aufbau eines Webs zu helfen, das auf den Prinzipien der Zugänglichkeit, Internationalisierung, Privatsphäre und Sicherheit basiert. Mit den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) stellen sie eine Richtlinie für gut zugängliche Webinhalte zur Verfügung. Diese basieren auf folgenden vier Prinzipien: 

  • Wahrnehmbarkeit
  • Bedienbarkeit
  • Verständlichkeit
  • Robustheit

Prinzip 1: Wahrnehmbarkeit

  • Textalternativen: Bei Bilder, Graphen, Formular-Elemente, Captcha, etc. Alternativtexte bzw. Alternativausgabe verwenden.
  • Zeitbasierte Medien: Untertitel, beschreibende Audiospuren
  • Anpassbarkeit: Seitenstruktur ergibt auch ohne Styling Sinn
  • Unterscheidbarkeit: Farbe, Kontrast, Textgröße, Hover und Focus

 

Prinzip 2: Bedienbarkeit

  • Per Tastatur zugänglich: Sorge dafür, dass alle Funktionalitäten per Tastatur zugänglich sind.
  • Ausreichend Zeit: Gib den Benutzer:innen ausreichend Zeit, Inhalte zu lesen und zu benutzen.
  • Anfälle und physische Reaktionen: Gestalte Inhalte nicht auf Arten, von denen bekannt ist, dass sie zu Anfällen oder physischen Reaktionen führen.
  • Navigierbarkeit: Stelle Mittel zur Verfügung, um Benutzer:innen dabei zu unterstützen zu navigieren, Inhalte zu finden und zu bestimmen, wo sie sich befinden.
  • Eingabemodalitäten: Erleichtere die Bedienung von Funktionen durch andere Eingabearten als die Tastatur.

Prinzip 3: Verständlichkeit

  • Lesbarkeit: Mache Inhalt lesbar und leicht verständlich.
  • Vorhersehbar: Sorge dafür, dass Webseiten vorhersehbar aussehen und funktionieren.
  • Hilfestellung bei der Eingabe: Hilf Benutzer:innen dabei, Fehler zu vermeiden und zu korrigieren.

 

Prinzip 4: Robustheit

Kompatibilität: Maximiere die Kompatibilität mit aktuellen und zukünftigen Benutzer:innenagenten, einschließlich assistierender Techniken. ⇒ Syntax (Start/End-Tags)

 

Zusätzlich teilt W3C seine Guidelines in drei unterschiedliche Konformitätsstufen

  • Level A: Level A ist die niedrigste Stufe der Barrierefreiheit. Assistiven Technologien wird die Navigation durch den Shop und deren Übersetzung erleichtert.
  • Level AA: Die mittlere Stufe der Barrierefreiheit ist das Level AA. Ein größeres Spektrum an Personen mit Einschränkungen erhält hier Zugang zur Seite und die Themen Farbkontrast und Fehleridentifikation wurden berücksichtigt inbegriffen. Das Level AA ist vom W3C empfohlen, für öffentliche Institutionen in Deutschland ist es sogar verpflichtend.
  • Level AAA: Beim höchsten Level AAA wird die Zugänglichkeit für möglichst viele Personen mit Einschränkung gewährleistet. Das bedeutet für die Shop-Betreibenden regelmäßige Pflege sowie stetige Optimierungen.

Tools. Tools. Tools.

Wenn sich deine Gedanken nun überschlagen, du dich fragst, wo und wie du anfangen sollst, dann haben wir ein paar Tool-Tipps für dich. Um einen ersten Check durchzuführen und herauszufinden, wie der Status Quo deiner Website oder deines Onlineshops hinsichtlich Barrierefreiheit aussieht, verwendest du am besten eines der folgenden Tools: 

 

Sie unterstützen dich dabei Problembereiche deiner Website oder deines Shops aufzudecken und geben dir erste Optimierungstipps. Außerdem haben wir hier eine Checkliste für dich zusammengestellt, anhand der du wichtige Punkte im Zusammenhang mit Barrierefreiheit im E-Commerce abarbeiten kannst. Für eine ausführliche Analyse und individuelle Beratung ist eine Zusammenarbeit mit Expert:innen ratsam. 

Was passiert, wenn mein
Shop nicht barrierefrei ist?

Für die Marktüberwachung wird das Sozialministeriumservice zuständig sein. Es kann – abhängig von der Größe des Unternehmens und von der Art des Verstoßes – auch Verwaltungsstrafen von bis zu 80.000 € verhängen, wobei Hersteller:innen, Dienstleistungserbringer:innen und Importeur:innen zunächst dazu aufgefordert werden sollen, geeignete Schritte zu setzen, um die Gesetzeskonformität des Produkts bzw. der Dienstleistung herzustellen. Als Ultima Ratio wären auch ein Produktrückruf bzw. die Verpflichtung zur Einstellung der Dienstleistung möglich.

Fazit

Ein barrierefrei gestalteter Onlineshop ist unabdinglich - sowohl für deine Kund:innen als auch für dich als Unternehmer:in. Daher lohnt es sich, früh genug mit der Sensibilisierung deiner Mitarbeiter:innen zu beginnen, dir Gedanken zum Status Quo und den notwendigen Adaptierungen zu machen und gegebenenfalls den Rat von Expert:innen hinzuzuziehen. 

Die Barrierefreiheit in deinem Onlineshop bringt dir dabei nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern hat vor allem den Zweck die Welt ein Stückchen inklusiver zu gestalten und für alle gleichermaßen zugänglich zu machen. 

 

Hier nochmals einige Verlinkungen für weiterführende Informationen

Barrierefreiheitsgesetzt (BaFG)

World Wide Web Consortium (W3C)

Checkliste für einen barrierefreien Onlineshop